Der Tag der Aufteilung
Als ich die Tour plante, stand eine große Frage im Raum: Wer möchte Was unbedingt gern sehen? Auf Marcels Bucketlist standen Europapark und Deutsches Museum. Saschi konnte mit der Idee Europapark aufgrund seines Rückens nicht viel anfangen.
Nun ist der Tag gekommen und wir wollen zum Europark. Zu nachtschlafender Zeit schmeißt Marcel uns aus den Betten. Er ist nicht mehr nur Brötchenbeauftragter, sondern auch Weckwachtmeister. Wir torkeln schlaftrunken ins Bad und machen uns fertig, für Brötchen bleibt keine Zeit, wir schieben uns irgendwas kleines Nahrhaftes in die Backen und düsen los… es ist eh zu früh, um ordentlich zu essen. Mein armer Saschi fährt Marcel und mich erstaunlich wach zu unserem Ziel. Wer Saschi kennt, weiß, früh aufstehen ist gar nicht sein Ding. Um die Parkgebühren zu sparen, lädt Saschi uns ab und fährt direkt weiter in die Innenstadt von Rust, um sich dort etwas umzusehen. Somit waren wir zwei auf uns allein gestellt.
Der Eintritt

Marcel und ich hatten im Internet 55€ Eintritt pro Erwachsenen gesehen, am Kassenhäuschen steht nun 68€. Unsere Augen werden groß, der Unmut steigt. Wir fragen nach, wie das kommt.
Kassenhäuschendame: „Das ist der Preis für die Nebensaison und die ist seit kurzem vorbei, wenn Sie auf „weiter“ klicken, sehen Sie die aktualisierten Preise.“
Getan wie gesagt, ich drückte auf weiter und da steht 62€. Ich zeige ihr den Preis.
Kassenhäuschendame: „Ja, das ist nun der Onlinepreis, an der Kasse bleibt es bei 68€“.
Ich: „Kann ich jetzt online die Tickets bezahlen und auch heute hineingehen?“
Kassenhäuschendame: „Ja, natürlich geht das.“
Wir gehen erst einmal zurück und machen Lagebesprechung. Ist mir die Integrität meiner Daten 6€ wert? Bei dem Online-Anmeldeportal für die Europapark-Tickets fehlt eigentlich nur noch die Angabe der Blutgruppe, ansonsten macht man sich hier schon ziemlich nackig. Gerade hier könnte die Blutgruppe schon fast interessant sein, so man mit einem Hochgeschwindigkeitsfahrgeschäft irgendwo gegen klatscht. Aber dann hilft einem ein bisschen Blut wahrscheinlich auch nicht mehr viel weiter.
Ich besorge nach kurzem Abwägen die Tickets: Es kann losgehen.
Europapark juchhe
Marcel studiert erstmal den Lageplan und kreiert daraus einen Schlachtplan. Er nimmt Rücksicht auf meinen Nacken, um den ich mich nun doch immer etwas mehr sorge. Wir starten ganz vorsichtig im Voletarium, einem 3D Kino mit beweglichen Sitzen und Wolkenanimation. Die Fahrt macht Spaß, selbst ein Kribbelgefühl stellt sich ein. Etwas irritiert bin ich, als mir die Wolke, durch die wir fliegen, lautlos ins Gesicht niest. Vermutlich sitzen dort irgendwo kleine Kobolde und warten nur hämisch darauf, endlich auf den Vernebler drücken zu dürfen. Perfide.
SILVER STAR
Und dann geht es direkt weiter. Der Höllenritt überhaupt. Der SILVER STAR!
Die Schlange ist erstaunlich kurz… Muss ich mir Sorgen machen? Wieso ist das so? Wir sind zwar außerhalb der deutschen Ferien im Europa-Park, jedoch haben die Franzosen bereits Ferienbeginn, was wir durch die vielen französisch sprechenden Jugendlichen bemerken. Dadurch ist der Park deutlich voller als erwartet. ABER, wo sind die alle? Müssten die nicht alle total heiß darauf sein, mit einem der schnellsten Fahrgeschäfte im Park zu fahren? Mir wird es flau. Und auch Marcel wirkt merklich kribbelig. Die Schlange teilt sich auf in „Andere“ und „ARD und ZDF-Reihe“. Wir entschließen uns dafür, in der ersten Reihe sitzen zu wollen (wie blöd kann man eigentlich sein?). In die erste Reihe passen 4 Leute, dadurch wird die Wartezeit etwas gestreckt und die Lebenszeit um einige Minuten verlängert. Der Teufel steckt ja im Detail, verlängerte Lebenszeit bedeutet auch verlängerte Panikzeit. Nichts von wegen „quality time“.
Silver Star – Der Start
Es ist so weit, wir sind an der Reihe. Unsere Bahn krabbelt langsam nach oben, meine Beine baumeln in der Luft. Ich erinnere mich, dass ich diesen Ritt vor Jahren schon einmal mitgemacht habe. Ich ruckle an dem Haltebügel, um seine Sicherheit zu überprüfen und mache mich im Geiste damit vertraut, wie ich mich im Fall der Fälle verhalten würde, sollte das Ding frühzeitig in Ruhestand gehen. Vorher auf die Treppe neben mir springen, oder mich festkrallen? Meine Wahl fällt auf die Treppe. Mein Gesicht wird blasser, ich sage mir selbst „Drück den Kopf an die Lehne, dann hast Du eine stabile Ebene, mit der Du arbeiten kannst!“. Ich tue wie mir selbst geheißen. Die Bahn erreicht ihren Zenit. Ich schaue nach unten und sehe die Gleise nicht mehr. Die Bahn rast nach unten. Man hat den Eindruck, man würde steiler als 90° nach unten fallen (was, glaube ich, gar nicht machbar wäre). Ich konzentriere mich auf zwei Dinge, Kopf an Lehne und ÜBERLEBEN!!!! Zwischenzeitlich frage ich mein Herz, ob es sich derweilen schon verabschiedet hat. Meine Lunge versucht panisch die Rolle des Herzens zu übernehmen. Für Ohnmacht bleibt keine Zeit, nach dem gefühlten freien Fall kommen die nächsten Wellen. Kopf an die Lehne, dem Weg der Bahn folgen und den Kopf danach ausrichten. Mehr muss ich nicht tun, einfach nur überleben… so simpel.
Die Fahrt ist vorbei, meine Beine sind weich, meine Augen groß. Ich gummi mich aus der Bahn und Marcel holt unsere Sachen aus dem Schließfach.
Ich habe überlebt. Es war knapp, aber ich habe überlebt.
Jetzt erst einmal etwas Ruhiges.
Moulin Rouge
Früher war das Moulin Rouge der Eurosat. Was man beim Silver Star vermisst, gibt es hier im Überfluss – Menschen. Menschenmassen stehen hier an und wabern langsam voran, um im Dunkeln Achterbahn zu fahren. Am ganzen Tag wird das die längste Schlange sein. Die Wartebereiche sind nett hergerichtet und gerissen in Schlaufen gelegt, so dass man eine maximale Schlange auf minimalem Raum unterbringt, ohne dass alle komplett gelangweilt sind. Nach einer Ewigkeit erreichen wir das Ziel. Fahren im Dunkeln und ja… ohne dass man sieht was passiert, kann man sich schlecht auf die Dinge, die da kommen einstellen… mein Nacken findet das blöder als den Silver Star. Trotzdem hat es Spaß gemacht, aber ist die Schlange nicht wert.

Poseidon
Nun geht es ab ins Nasse, ein bisschen Abkühlung, auch wenn der Tag eigentlich gar nicht so warm ist. Hier sieht man zwar, was auf einen zukommt, jedoch ist das Ganze nicht vollständig gelenkt und somit auch etwas ruppig, aber lustig. Mit nassem Hintern laufen wir erstmal ein bisschen rum. Nass sind bekanntlich alle Leute sexy. Wir legen eine kleine Schonpause ein, essen ein bissel Proviant und steuern das nächste Highlight, den blue fire, an.
Euro-Mir
Ich habe zwar keine gespaltene Persönlichkeit, trotzdem werde ich die Euro-Mir aus meinem kollektiven Gedächtnis streichen. Zu viel Hin- und Her-Geruckel und zu viel Gedrehe für meinen Geschmack, ein bisschen wie wilde Maus. Meins ist es nicht und mein Nacken sagt „och nö“. Marcel findet die Euro-Mir ganz nett und würde sie auch nochmal fahren, er legt aber keinen besonderen Wert darauf, darum lege ich dieses Thema schnell ad acta.
blue fire Megacoaster
Holla die Waldfee. Wollte ich jemals ins All geschossen werden? Nein! Wollte ich mit dem blue fire fahren? Vielleicht. Aber, oh mein Gold… da fliegt einem selbiges aus den Zähnen.
Wir stehen zur Schlange für den blue fire an und auch hier gibt es dasselbe Phänomen. Die Schlange ist relativ kurz. Deshalb beschließen wir erneut in der ersten Reihe zu sitzen und nehmen die Spezialschlange. Und ja, es lohnt sich. Trotzdem bleiben die bleiche Farbe im Gesicht und mein starrer Blick vor dem Start erhalten, was Marcel etwas beunruhigt. Er erkundigt sich nach meinem Wohlbefinden und sagt mir nun das gleiche, was ich mir schon beim Silver Star gedacht hatte „Kopf an die Lehne“. Ihm ging dabei nur der rasante Start durch den Kopf, ich hatte das aber schon längst eingeplant. Ein weiterer Punkt kommt zu meinem Überlebensinstinkt hinzu. Mund zu! Gerade beim Start (ach eigentlich die ganze Zeit) versuche ich den Mund geschlossen zu halten, da ich befürchte, dass sich Fliegen durch meinen Rachen ihren Weg hinaus aus dem Rückgrat schießen könnten, so mir eine Fliege in selbigen fliegen würde. Auch wenn das unrealistisch klingt, gefällt mir die Alternative „mit einem Happs sind die im Mund“ ähnlich wenig.
Die Fahrt beginnt und man wird in die Sitze gepresst. Anders als beim Silver Star gibt es hier Loopings. Bei den Loopings ist die Belastung auf den Nacken schon deutlich zu spüren und ich steuere gegen. Einen gewissen Trainingseffekt würde ich dem Ganzen auch zuordnen. Durch das Adrenalin sind alle Muskeln in Hochspannung und ich hoch konzentriert, „Kopf an Lehne, Mund zu, Kräfte ausgleichen, überleben“.
Die Fahrt war krass.
Ich brauch eine Pause.
Wodan Holzachterbahn
Marcel liebäugelt mit der Holzachterbahn. Mein Nacken sagt „Jessi, wenn Du das tust, steig ich aus.“
Ich stelle mich mit Marcel in die Holzachterbahnschlange und wir bewundern die Konstruktion. Ich will meinen Nacken noch ein bisschen necken und gaukle ihm vor, ich würde echt so lebensmüde sein, mich da reinzusetzen.
Am Ziel angekommen gehe ich durch die Bahn durch und lasse Marcel allein fahren und warte am Ziel auf ihn.
Marcel meint, es war eine ultra schnelle Fahrt, die riesigen Spaß gemacht hat und gar nicht so ruckelig war wie befürchtet, nur eben extrem schnell. Er befürwortet meine Entscheidung nicht mitgefahren zu sein, mein Nacken stimmt ihm zu.

Pegasus
Eigentlich eine Achterbahn für jüngere Menschen (auch Kinder genannt) und doch macht sie Spaß. Sie ist schnell, mit ein paar kleinen Wow-Momenten und die Fahrt dauert nicht lang. Mir gefällt sie und ich bin mir sicher, für Kinder ist sie der perfekte Einstieg in eine große Achterbahnkarriere. Marcels Erwartungen sind ebensfalls übertroffen, da auch er von ausging, dass es „nur“ eine Kinderachterbahn ist.
Panoramabahn
Zur Entspannung machen wir uns einen Überblick des Parks und fahren ein bisschen mit dem ÖPNV, welcher im Preis enthalten ist, der Panoramabahn. Dabei sehe ich das Volo Da Vinci und äußere das als Wunschfahrt. Marcel setzt es auf die To-Do-Liste.

Essen
Wir steigen aus der Panoramabahn aus. In Griechenland kehren wir ein und essen eine riesige Portion Gyros. Das Essen ist relativ günstig und okay. Nicht mit echtem Gyros zu vergleichen, aber nahrhaft und bekömmlich. Es hat keine bleibenden Schäden verursacht.
Schweizer Bobbahn
Wir stehen gemütlich in der Schlange zur Schweizer Bobbahn, als ein Gewitter heranzieht und alle Fahrgeschäfte ihre Tätigkeit einstellen. Die meisten Leute gehen, wir bleiben und stellen uns nach vorn. Nach einiger Zeit geht es weiter. Für mich eine sehr entspannte Fahrt. Da man im Zweierbob sitzt, kann sich der Vordere einfach am Hintermann anlehnen. Sehr bequem, mein Nacken freut sich. Leider ist es für Marcel nicht ganz so schön, er stößt sich böse am Ellenbogen und hat daraufhin einen blauen Fleck und einen faden Beigeschmack. Schade.
Volo da Vinci
Eine Hommage an Leonardo Di Caprio ist das Volo da Vinci, vom Großmeister selbst konstruiert und beaufsichtigt, fährt man hier mit niedlichen Tretvehikeln. Je schneller man tritt, desto weeeeh. Naja, weeeeh vielleicht nicht ganz, aber trotzdem süß. Marcel legt die Beine hoch und lässt mich strampeln. Ganz Gentleman eben. Ich wollte schließlich mit diesem öden Fahrgeschäft fahren.

blue fire die 2.
Einmal ist kein Mal. Nachdem Marcel im da Vinci Mühe hatte die Augen offen zu halten braucht er jetzt einen neuen Kick. Also los zum blue fire. Wir stehen in der Schlange, da ruft Saschi uns an, wir sollen mit dem Silver Star fahren, er hätte eine Position gefunden, von der aus er uns gut fotografieren könne. Wir vertrösten ihn erst einmal auf später.
Wir fahren den blue fire erneut. Man gewöhnt sich an alles. Es beginnt Spaß zu machen und ist nicht mehr ganz mit Panik verbunden.
Wir informieren Saschi, dass wir auf dem Weg zum Silver Star sind.
Silver Star die 2., 3. und 4.
Saschi gibt uns genaue Anweisungen, wo wir uns am besten hinsetzen sollen, damit er uns gut mit der Bazooka (so nenne ich mein 600mm Teleobjektiv von Sigma liebevoll) fotografieren kann.

Ich bin fasziniert, wie wenig mir die Fahrten ausmachen. Jede Runde zusätzlich gewöhnt man sich mehr daran, sich in den Tod zu stürzen. So geht es also den Lemmingen im Spiel.
Die 4. Runde sitzen wir nicht mehr ganz vorn. Leider ist das die Abschiedsrunde. Vorn sitzen ist doch deutlich besser.
Wir verabschieden uns vom Park und treffen Saschi draußen wieder, der uns seine tollen Resultate zeigt.
Ein würdiger Abschluss für uns.

Derweilen Saschis Tag:

Tourmap

vorheriger Artikel

nächster Artikel
